Schüler*innen aus dem 10. Jahrgang haben im Rahmen des Deutschunterrichts bei Herrn Koberg Parallelgedichte zu folgendem Gedicht aus der Literaturepoche des Barock verfasst:
Nirgends hin / als auff den Mund /
da sinckts in deß Hertzen grund.
Nicht zu frey / nicht zu gezwungen
nicht mit gar zu fauler Zungen.
Nicht zu wenig / nicht zu viel 5
Beydes wird sonst Kinder–spiel.
Nicht zu laut / und nicht zu leise /
Beyder Maß’ ist rechte weise.
Nicht zu nahe / nicht zu weit.
Diß macht Kummer / jenes Leid. 10
Nicht zu trucken / nicht zu feuchte/
wie Adonis Venus reichte.
Halb gebissen / halb gehaucht.
Halb die Lippen eingetaucht.
Nicht ohn Unterschied der Zeiten. 15
Mehr alleine denn beyd Leuten.
Küsse nun ein Idermann
Wie er weiß / will und kan.
Ich nur / und die Liebste wissen /
Wie wir uns recht sollen küssen. 20
(in der Fassung des Abdrucks: Gedichte des Barock, hrsg. V. Ulrich Maché und Walter Meid, Stuttgart: Reclam 9280, dort: Text nach der Ausgabe von 1646
Wenn man die literaturspezifischen Merkmale des lyrischen Textes einmal außen vorlässt, geht es im Grunde um Folgendes:
Das lyrische Ich präsentiert in einfacher Liedform eine Art „Kussanleitung“. Typisch für viele Gedichte der Zeit nimmt der anfängliche Eindruck eine unerwartete Wendung bzw. endet in einer Pointe: Wer zunächst noch meinen könnte, es gäbe ein allgemeingültiges „Rezept“, um richtig zu küssen, wird schlussendlich eines Besseren belehrt:
Die richtige Art des Küssens lässt sich nicht vorschreiben: Jeder solle doch einfach küssen, wie es ihm beliebt.
Ausgehend von „Wie er wolle geküsset sein“, verfassten die Lernenden eigene Gedichte, die sich in irgendeiner Weise inhaltlich, formal oder stilistisch an der literarischen Vorlage orientieren oder sich davon bewusst persiflierend oder parodierend absetzen. So lässt sich kurz die Schreibform „Parallelgedicht“ definieren.
Hier sind die Ergebnisse nachzulesen: Link Um sie möglichst authentisch zu präsentieren, wurden Tipp- oder orthografische bzw. grammatikalische Fehler belassen bzw. sind unter „dichterischer Freiheit“ zu subsumieren.
Viel Vergnügen!
Kob, 02.03.24